Die Untersuchungshaft dient den Strafverfolgungsbehörden zur vollständigen Aufklärung einer Straftat und der Durchsetzung einer raschen Bestrafung des Täter. Der staatliche Anspruch auf effektive Strafrechtspflege kollidiert hierbei jedoch in massiver Weise mit den grundrechtlich geschützten Freiheitsrechten des Täters.
Für die Anordnung der Untersuchungshaft (sog. Haftbefehl) muss ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund bestehen. Zudem muss aufgrund der Erheblichkeit der Maßnahme der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sein.
Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem aktuellen Ermittlungsstand eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat.
Hinweis ! In Haftsachen überprüfe ich, ob tatsächlich aufgrund der Ermittlungsergebnisse eine grosse Wahrscheinlichkeit für das Begehen einer Straftat vorliegt oder ob eine Herleitung lediglich aus bloßen Vermutungen erfolgte, ob Prozesshindernisse bestehen oder Prozessvoraussetzungen fehlen, die einen dringenden Tatverdacht grundsätzlich ausschließen.
Als Haftgründe kommen in Betracht:
- Der Haftgrund der Flucht liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Feststellung erlauben, dass der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
- Fluchtgefahr liegt vor, wenn eine Gesamtschau aller Umstände im Einzelfall die Annahme begründet, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen.
- Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn Ermittlungen durch unlauteres Einwirken auf persönliche oder sachliche Beweismittel beeinträchtigt werden.
- bei Schwerstdelikten ist ein Strafbefehl nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 112 Abs. 3 StPO auch ohne Haftgrund möglich.
- besteht die Gefahr einer Wiederholung oder Fortsetzung von in § 112 a aufgezählten Straftaten kann ein Haftbefehl erlassen werden, wenn entweder ein Haftgrund nicht vorliegt oder ein begründeter Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde.
Hinweis ! Aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte muß nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes jedoch auch bei Schwerstdelikten zumindest eine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr abstrakt möglich sein.
Bei der Untersuchungshaft handelt es sich um eine der schwerwiegensten Eingriffe, die die Strafprozessordnung kennt. Besonderes Augenmerk ist daher auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu richten. Der anordnende Richter hat eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.
Haftbeschwerde
Die Haftbeschwerde ist ein Rechtsbehelf des Inhaftierten gegen den Haftbefehl. Die Beschwerde kann jederzeit eingelegt werden und ist an keinerlei Fristen gebunden. Das Rechtsmittel gegen die ablehnende Entscheidung auf die Haftbeschwerde hin ist die weitere Beschwerde (zuständig ist dann in der Regel das Oberlandesgericht gem. § 310 StPO).
Eine Haftbeschwerde ist nicht neben dem Antrag auf Haftprüfung zulässig, durchaus aber gegen die aufgrund der Haftprüfung ergangene Entscheidung. Die Zulässigkeit der Haftbeschwerde im übrigen ist in § 304 StPO geregelt.
Die Beschwerde ist nach § 306 StPO bei dem Gericht schriftlich (oder zu Protokoll der Geschäftsstelle) einzureichen, das die Entscheidung gefällt (ggf. den Haftbefehl erlassen) hat. Das Gericht beschließt dann im Abhilfeverfahren darüber und legt die Beschwerde dem nächst höheren Gericht vor, wenn es der Beschwerde nicht abhelfen will.
Durch die Haftbeschwerde wird der Vollzug des Haftbefehls nicht gehemmt, da es sich um keinen suspensorischen Rechtsbehelf handelt. Allerdings kann im Einzelfall gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung - auch auf Antrag mit der Haftbeschwerde - ausgesetzt werden. Wird dem Antrag nicht gefolgt, ist dagegen wieder der Rechtsbehelf der einfachen Beschwerde gegeben (§§ 304, 310 StPO).
Hinweis ! Bei erneuter Erörterung von Rechtsfragen oder dem erneuten Vortrag bekannter Tatsachen ist Haftbeschwerde einzulegen.
Die Entscheidung selbst ergeht regelmäßig nach Aktenlage. Eine mündliche Verhandlung ist nicht vorgeschrieben, allerdings ist ggf. Beweis zu erheben (§ 308 Abs. 2 StPO).
Haftprüfung
Der Beschuldigter kann grundsätzlich jederzeit mündliche Haftprüfung nach § 117 Absatz 1 StPO und § 118 StPO beim Haftrichter beantragen.
Einschränkend besteht der Anspruch auf mündliche Haftprüfung jedoch nur, wenn die Untersuchungshaft mindestens drei Monate dauert und seit der letzten mündlichen Vernhandlung mindestens zwei Monate vergangen sind.
Hinweis ! Liegen neue entlastende Tatsachen (insbesondere in Hinblick auf die Haftgründe) und Beweismittel vor, werde ich Haftprüfung einlegen. Insbesondere ist die Haftprüfung dazu geeignet dem Haftrichter einen persönlichen (positiven) Eindruck vom Beschuldigten zu vermitteln.
Innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung findet ein mündlicher Haftprüfungstermin beim Haftrichter statt.
Kann der dringende Tatverdacht nicht entkräftet werden und geht der Haftrichter weiterhin von einem Haftgrund aus, wird die Haftfortdauer angeordnet. Hiergegen ist das Rechtsmittel der Haftbeschwerde gegeben.
Achtung ! Nach einer erfolgloser Haftprüfung kann der Beschuldigte zwei Monate keine neue Haftprüfung beantragen. Insbesondere in Hinblick auf die Sperrwirkung bedarf es aus verfahrenstaktischen Überlegungen einer sorgfältigen Prüfung zu welchem Zeitpunkt eine Haftprüfung beantragt wird.
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